Mobilität in Wien: Zwischen Historie und Innovation

Enge U-Bahn-Taktungen, ein Stadtkonzept zum Wohlfühlen und neue Rekorde im Verkauf von Jahrestickets: Österreichs Hauptstadt geht grün voran.

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Die ersten Gedanken an Wien drehen sich meistens um den Stephansdom, Sachertorte, die Staatsoper oder das berühmte Riesenrad. Aber die Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt hat noch mehr zu bieten: Wer nach Wien reist, erlebt eine Metropole, die ihren historischen Charme nachhaltig mit modernen und klimafreundlichen Innovationskonzepten verbindet.

Der Plan zur Mobilität der Zukunft

Das 2014 vom Wiener Gemeinderat beschlossene Fachkonzept STEP 2025 gilt als Eckpfeiler eines durchdachten und stets verbesserten Entwicklungskonzepts: Um die Ziele erreichen zu können, stehen Dialog und Kommunikation im Mittelpunkt. So konnten Bürger*innen durch ein Beteiligungsangebot Wünsche, Anregungen und Ideen in die wichtige Maßnahmenplanung mit einfließen lassen.

Das gemeinsame Ziel: Bis 2025 sollen die Wiener*innen 80 Prozent ihrer Wege auf klimafreundliche Weise zurücklegen, also per ÖPNV, Rad oder zu Fuß. Aktuell kommen auf 1.000 Einwohner*innen etwa 381 Pkw. Zum Vergleich: In NRW kommen 691 Pkw auf die gleiche Personenzahl. Der Wiener Wert ist also bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung – den Verantwortlichen jedoch noch nicht genug. So wurden verschiedene Handlungsfelder, Strategien, Methoden und Ziele in einem großen Strategiepapier benannt, bei denen die Prinzipien Verkehrssicherheit, Diversität sowie Barrierefreiheit und Gender Mainstreaming stets mitgedacht werden.

Öffentliche Verkehrsmittel führen vor Pkw

Was in vielen Metropolen ein ausgeschriebenes Ziel ist, gehört in Wien bereits zur Realität:Die meisten Wege (38 %) in der Hauptstadt werden mit dem ÖPNV zurückgelegt – mit dem Pkw immerhin nur 29 %, dicht gefolgt vom klassischen „zu Fuß gehen“ (26 %) und dem Rad (7 %). Kein Wunder: Enge Taktungen bei U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen erleichtern den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr. Ein Trick im Wiener U-Bahn-Netz: Alle Linien haben je Fahrtrichtung ein eigenes Gleis – das hilft zum einen bei der Orientierung an unbekannten Stationen und verhindert zum anderen Verspätungen, da sich die unterschiedlichen Bahnlinien nicht gegenseitig aufhalten. Eine weitere Hilfe bei der Wegeplanung bieten die farblichen Markierungen der einzelnen U-Bahn-Linien.

Das „größte Klimaschutzprojekt der Stadt“

Durch den Ausbau der Linien U2 und U5 werden die Pendler*innen in Wien endgültig zu Klimaschützer*innen. Aktuell befinden sich elf neue Stationen in Bau, die ab 2026 von der neuen Linie U5 und ab 2028 von der erweiterten U2 angefahren werden. Die wissenschaftlichen Berechnungen zur Auswirkung auf Feinstaubbelastung und Umweltschutz sind beeindruckend: Ein Drittel mehr Fahrgäste soll der Ausbau in die Bahnen locken. Zudem schafft der Ausbau der Linien räumliche Kapazitäten: Mehr Menschen im ÖPNV bedeutet mehr Platz auf der Straße, weniger benötigte Parkräume und mehr Möglichkeiten im öffentlichen Raum. So können mehr Parks, Spielplätze und Plätze zum Ausruhen und Entspannen entstehen, die das Stadtbild aufwerten – und gleichzeitig den Anreiz steigern, zu Fuß zu gehen oder das Rad zu nutzen. Die grüne Visitenkarte der Wiener Linien wird am deutlichsten, wenn man den ökologischen Fußabdruck betrachtet: Mit Blick auf die gesamte Stadt Wien beträgt der Anteil der Wiener Linien gerade mal 1 % – verantwortlich dafür ist die reine Nutzung von E-Fahrzeugen, die auf Strom aus regionalen, erneuerbaren Energiequellen zurückgreifen. Das neue U-Bahn-Kreuz kann somit bis zu 75.000 Tonnen CO2 im Jahr einsparen, sofern die Strecke maximal genutzt wird.

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Hohe Lebensqualität und nachhaltige Stadtentwicklung

Im Frühjahr 2022 wurde die Stadt Wien mit dem Lee Kuan Yew World City Prize ausgezeichnet – eine international bedeutende Auszeichnung für die herausragenden Beiträge, die Wien zur klimafreundlichen und lebenswerten Entwicklung geleistet hat. Der Preis wird vom Stadtstaat Singapur vergeben, der selbst über ein beispielloses ÖPNV-Netz verfügt und als eine der nachhaltigsten Metropolen der Welt gilt. Dass Wien diesen Preis erhält, ist jedoch keine große Überraschung – so führt die Metropole seit vielen Jahren das Ranking der „lebenswertesten Städte der Welt an“.

Das Wiener Mobilitätsnetz: Zahlen und Fakten

2,6 Millionen Fahrgäste

… zählen die Wiener Linien täglich – das sind fast eine Million mehr Menschen als die Stadt überhaupt Einwohner*innen hat.

365 Euro

… bezahlen die Wiener*innen für ihr Jahresticket und nutzen damit täglich für nur einen Euro den ÖPNV in allen Bezirken. Das Jahresticket für ganz Österreich gibt es für 1.095 Euro pro Jahr.

852.000 Jahreskarten

… stellten im Jahr 2019 einen neuen Verkaufsrekord bei den Wiener Linien dar.

450 Busse, 500 Straßenbahnzüge und 150 U-Bahn-Züge

… umfasst die Flotte des Wiener Verkehrsnetzes.

220 Kilometer Straßenbahnnetz

… in Wien stellen das weltweit sechstgrößte Streckennetz für Straßenbahnen dar. Dazu kommen 83 Kilometer U-Bahn- und 850 Kilometer Bus-Liniennetz.

100 WienMobil Stationen

… soll es bis 2025 im ganzen Stadtgebiet geben. Sie dienen – wie die Mobilstationen NRW – als Knotenpunkte für flexible Mobilität: Hier lässt sich für die letzte Meile unkompliziert auf Leihrad, Sharing-Auto oder E-Scooter umsteigen.

3.000 WienMobil-Leihräder

… stehen seit diesem Jahr an 200 Stationen (und 50 digitalen Bedarfsstationen) zur Verfügung – in allen Bezirken.

30-60 Cent pro halbe Stunde

… kostet eine Fahrt mit dem Sharing-Bike-Anbieter: Auf den Standardpreis von 60 Cent bekommt man mit einem Abo-Ticket 30 Cent Rabatt.

300 Euro Parkgebühr

… können anfallen, sollte das Auto für eine Woche in der Wiener Innenstadt geparkt werden. In Außenbezirken ist das Langzeitparken mit Glück noch für ca. 20 Euro pro Woche möglich.

Nachhaltige Wohlfühlfaktoren über und unter der Stadt

Unter dem Projektnamen „Greener Linien“ setzen die Wiener Linien noch einen weiteren Aspekt in Richtung Zukunftsfähigkeit: Neben der Nutzung von Solarenergie und Digitalisierungsmaßnahmen rund um das ÖPNV-Ticketsystem wird Energie recycelt: Die beim Bremsen von Elektrobussen, Straßenbahnen und U-Bahnen entstandene Energie wird in das hauseigene Stromnetz eingespeist und für den Betrieb von Rolltreppen oder Aufzügen wiederverwendet. Zudem beschäftigen sich die Verantwortlichen auch mit der sichtbaren Natur: So werden beispielsweise Stationen und Haltestellen urban begrünt und auch die Ansiedlung von Bienen an geeigneten Flächen unterstützt. Auch im Rahmen des U2xU5-Ausbaus wird parallel geprüft, welche Baustellen sich zur Bepflanzung eignen, um das „Cooling und Greening“ der Stadt zu sichern. Bei der Umsetzung aller Maßnahmen kann Wien auf die Unterstützung einer eigenen Agentur für nachhaltige und innovative Stadtentwicklung („urban innovation vienna“)  zurückgreifen – mit dem Ziel der Klimaneutralität Wiens bis 2040.

Ein Vorbild für NRW?

Die Stadt Wien befördert täglich fast eine Million mehr Fahrgäste, als sie überhaupt Einwohner*innen hat. Dass sie diese Herausforderung mit einem gut durchdachten und eng getakteten System meistert, ist einer bemerkenswerten Zusammenarbeit der Wiener Linien und der Stadt zu verdanken. Der Einsatz der WienMobil Stationen lässt sich dabei gut mit den Mobilstationen NRW vergleichen, jedoch ist die österreichische Hauptstadt dem Land NRW in einem wichtigen Punkt weit voraus: Wien hat es geschafft, mehr und mehr Pendler*innen und Besucher*innen von der ÖPNV-Nutzung zu überzeugen, sodass die Zahl der Pkw-Nutzenden im Stadtbereich deutlich zurückging. Ein wichtiges Mittel dazu war die Einführung des 365-Euro-Tickets, das inzwischen seit zehn Jahren bei den Wiener*innen etabliert ist. Durch die Einführung des Deutschlandtickets ab 2023 macht NRW – und ganz Deutschland – einen ersten Schritt in die entscheidende Richtung.