Mit circa 37 Millionen Einwohner*innen im Großraum Tokio ist die japanische Hauptstadt die größte Stadt der Welt – dazu kommen jährlich rund 8 Millionen Besucher*innen. Um diese Menschenmengen von A nach B zu bringen, braucht es deshalb nicht nur ein großes Angebot an Verkehrsmitteln, sondern zudem ein gut funktionierendes System, das auch Gäste in kurzer Zeit überblicken sollten.
Viele Möglichkeiten auf den Schienen
Ob Highspeed-Zug, Express-Verbindung oder einfach eine „gewöhnliche“ U-Bahn – innerhalb Tokios braucht es eigentlich keine Fahrpläne, denn die gut getakteten Bahnen und Züge bringen dich schnell ans Ziel. Zusätzlich zum U-Bahn-System, das als meistgenutztes auf der ganzen Welt gilt, gibt es noch weitere Angebote:
Tokio setzt auf Cashcards
Bahn ist also nicht gleich Bahn in Tokio. In der Stadt hast du die Möglichkeit, in verschiedene Linien unterschiedlicher Verkehrsunternehmen zu steigen. Zugegeben: Das macht die Übersicht, welches Ticket du für welches Verkehrsmittel brauchst, nicht gerade intuitiv.
- Mit Abstand am beliebtesten sind die wiederaufladbaren Chipkarten Pasmo und Suica. Diese kannst du am Automaten oder online im Vorfeld kaufen. Das Aufladen erfolgt ebenfalls über Automaten in den Bahnhöfen. Beim Ein- und Auschecken an Haltestellen und Bahnhöfen wird der entsprechende Ticketpreis automatisch abgebucht. Super komfortabel: Du kannst mit diesen Prepaidkarten auch in vielen Geschäften zahlen.
- Einzelfahrkarten können besonders für Besucher*innen, die sich noch gar nicht im japanischen Nahverkehr auskennen, umständlich sein, denn: Wenn du oft umsteigen musst, können Einzeltickets teuer werden. Zudem gibt es mehrere Verkehrsunternehmen, was sich auch beim Tarif bemerkbar machen kann.
- Wenn du städteübergreifend mit den Öffis unterwegs sein willst, gibt es den JR Rail Pass.
Orientierungshilfen auch für Besucher*innen
Wenn du nicht gerade in einer Millionenmetropole aufgewachsen bist, wird es vermutlich einen Moment dauern, bis du dich im Nahverkehrssystem Tokios zurechtgefunden hast. Besonders bei der Metro haben die Japaner*innen aber ein leicht verständliches System, das bei der Orientierung hilft: Jeder U-Bahn-Linie ist eine eigene Farbe sowie ein Buchstabe zugeordnet. Die Stationen der Strecken sind zudem durchnummeriert, sodass man sich nicht unbedingt die Stationsnamen und Richtungen merken muss, sondern Farbe und Nummer. So, wie wir es in den meisten U-Bahn-Systemen kennen, müsste man sich merken, dass man von Kagurazaka nach Kayabacho möchte und dafür die Bahn in Richtung Nishifunabashi nehmen muss. Im japanischen System reicht es hingegen aus, zu wissen: Du musst bei T05 ein- und bei T11 wieder aussteigen. Bei den Ein- und Ausgängen ist zudem vermerkt, auf welchem Gleis du die Zahlen (Stationen) aufwärts oder abwärts fährst – praktisch!
Shinkansen bringen dich von Stadt zu Stadt
Nicht nur die U-Bahnen sind schnell unterwegs – die berühmten japanischen Schnellzüge, die Shinkansen, bringen dich in Nullkommanichts durch Japan. Der entscheidende Punkt, warum das unkompliziert und auf die Minute pünktlich funktioniert: Die Züge der Shinkansen fahren auf einem eigenen Schienennetz. Die erste fertiggestellte Hochgeschwindigkeitsstrecke war 1964 die Verbindung zwischen Tokio und Osaka, heute führen neun Strecken quer durch das Land und sind bei Geschäftsleuten oder Tourist*innen gleichermaßen beliebt. Drei verschiedene Zugarten sind auf den Schienen unterwegs, die je nach Anzahl der Zwischenstopps schneller oder langsamer ans Ziel kommen: Auf der „Tokaido-Shinkansen-Linie“ (Tokio nach Osaka) hält der Schnellzug („Nozomi“) beispielsweise nur sechs Mal, der mittelschnelle Zug („Hikari“) sieben Mal und der Nahverkehrszug („Kodama“) hat zwölf Haltepunkte. So schafft der Nozomi mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 320 km/h die Strecke von Tokio nach Osaka (450 km Entfernung) in nur 2:10 Stunden. Im Vergleich: Mit sechs Haltestellen mehr schafft es der Kodama „nur“ auf 285 km/h und braucht für die gleiche Strecke knapp 4 Stunden. Ein weiterer Punkt für hohen Komfort und gute Organisation: Es gibt in Shinkansen-Zügen Wagen für reservierte Plätze und Wagen, in denen ausschließlich nicht-reservierte Plätze sind. Durch zusätzliche Markierungen auf dem Bahnsteig, wo genau welcher Wagen hält, sparst du dir so unnötige Suchen quer durch den Zug.
Wenig Autos – viel ÖPNV
Wer in Tokio ein Auto anmelden will, muss strenge Auflagen beachten, u. a. den Nachweis eines festen Parkplatzes im eigenen Wohnbezirk erbringen. Die Regel, die auch aus der heutigen Stadt zur Eindämmung des Stadtverkehrs stammen könnte, existiert bereits seit 1962. Eine weitere Maßnahme, um Unfälle zu verhindern und den privaten Pkw-Besitz weiter einzudämmen sind Reaktionstests, die Menschen über 70 Jahre regelmäßig absolvieren müssen. Auch die freiwillige Abgabe der Führerscheine ist in Japan so hoch wie sonst vermutlich nirgendwo: 2019 gaben mehr als 600.000 Menschen ihren Führerschein freiwillig ab.
Ein Stück Japan für NRW?
An die japanische Disziplinkultur kommen wir in Deutschland oder NRW nicht ran, das muss man festhalten. Klischees über sehr strenge Regeln beim Ein- und Aussteigen, z. B. durch geduldiges Warten beim Schlangestehen, und dem ausgeprägten Bedürfnis, Züge sauber zu hinterlassen, sind schlicht und einfach wahr. Das Verhalten spart besonders im Bahnverkehr Stress und unterstützt einen reibungslosen Betriebsablauf. Auch beim Thema Pünktlichkeit hat der deutsche Schienenpersonenverkehr keine Chance gegen das japanische Netz. Das liegt vor allem daran, dass beispielsweise das Shinkansen-Netz unabhängig vom übrigen Schienenverkehr ist und ähnlich wie in Singapur auf eigenen Gleisen fährt. Auch die Geografie spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle: Die Form Japans ist sehr länglich und die Schienen konnten deshalb in den meisten Fällen senkrecht zwischen Süden und Norden gelegt werden. Bei uns gehen die Strecken in alle Himmelsrichtungen, was Überschneidungen und Kreuzungen zur Folge hat, die ebenfalls konzipiert werden müssen. Ein Vergleich hakt also allein bei den Voraussetzungen.