Mobilität in Tokio: Mit Highspeed ans Ziel

Sechs Millionen Fahrgäste am Tag – allein in der Metro! Der Nahverkehr in Tokio muss bei diesem Andrang natürlich gut durchdacht sein – und das ist er.

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Mit circa 37 Millionen Einwohner*innen im Großraum Tokio ist die japanische Hauptstadt die größte Stadt der Welt – dazu kommen jährlich rund 8 Millionen Besucher*innen. Um diese Menschenmengen von A nach B zu bringen, braucht es deshalb nicht nur ein großes Angebot an Verkehrsmitteln, sondern zudem ein gut funktionierendes System, das auch Gäste in kurzer Zeit überblicken sollten.

Viele Möglichkeiten auf den Schienen

Ob Highspeed-Zug, Express-Verbindung oder einfach eine „gewöhnliche“ U-Bahn – innerhalb Tokios braucht es eigentlich keine Fahrpläne, denn die gut getakteten Bahnen und Züge bringen dich schnell ans Ziel. Zusätzlich zum U-Bahn-System, das als meistgenutztes auf der ganzen Welt gilt, gibt es noch weitere Angebote:

Tokyo Metro

Der größte Metro-Betreiber umfasst neun Linien, die das gesamte Stadtgebiet abdecken. Dazu gehören 195 Kilometer Gleise und 180 Stationen. Die Frequentierung der Bahnen ist so hoch, dass es nie zu langen Wartezeiten kommt, wenn man zwischen den Geschäfts-, Einkaufs- und Wohnvierteln hin und her fahren möchte.

Toei-Linien

Der zweite U-Bahn-Betreiber in Tokio zählt vier Linien, die über 106 Stationen Flughäfen und Innenstadt verbinden und viele Anschlüsse an weitere Bahnlinien ermöglichen.

Japan Railway Company

Die JR-Linien bieten mehrere Linien in ganz Japan an – von lokalen Bahnlinien über Busse bis hin zu den Shinkansen, den berühmten Hochgeschwindigkeitszügen. Beliebt ist beispielsweise die Yamanote-Linie, die um das Stadtzentrum herum verläuft und wichtige Knotenpunkte miteinander verbindet. Andere JR-Linien verbinden die Vororte mit dem Zentrum und ermöglichen den Fahrgästen einfache Umstiege in die Fernzüge.

Expresszüge

Eine schnelle Möglichkeit, um zu einem der beiden internationalen Flughäfen Narita oder Haneda zu kommen, sind die Expresszüge. Sie sind neben ihrer kurzen Reisedauer sehr komfortabel, aber auch etwas teurer als reguläre Züge.

Aha!

Damit keine Verwirrung aufkommt: Der Begriff „Shinkansen“ bezeichnet nicht nur die Hochgeschwindigkeitszüge selbst, sondern wird auch als Bezeichnung für das gesamte Streckennetz genutzt.

Tokio setzt auf Cashcards

Bahn ist also nicht gleich Bahn in Tokio. In der Stadt hast du die Möglichkeit, in verschiedene Linien unterschiedlicher Verkehrsunternehmen zu steigen. Zugegeben: Das macht die Übersicht, welches Ticket du für welches Verkehrsmittel brauchst, nicht gerade intuitiv.

  • Mit Abstand am beliebtesten sind die wiederaufladbaren Chipkarten Pasmo und Suica. Diese kannst du am Automaten oder online im Vorfeld kaufen. Das Aufladen erfolgt ebenfalls über Automaten in den Bahnhöfen. Beim Ein- und Auschecken an Haltestellen und Bahnhöfen wird der entsprechende Ticketpreis automatisch abgebucht. Super komfortabel: Du kannst mit diesen Prepaidkarten auch in vielen Geschäften zahlen.
  • Einzelfahrkarten können besonders für Besucher*innen, die sich noch gar nicht im japanischen Nahverkehr auskennen, umständlich sein, denn: Wenn du oft umsteigen musst, können Einzeltickets teuer werden. Zudem gibt es mehrere Verkehrsunternehmen, was sich auch beim Tarif bemerkbar machen kann.
  • Wenn du städteübergreifend mit den Öffis unterwegs sein willst, gibt es den JR Rail Pass.

 

Good to know

Egal, wen du fragst: Dass Tokio eine Stadt für Öffis und nicht für Autos ist, wird dir vermutlich jede*r bestätigen. Taxen sind im Vergleich zu den Öffis sehr teuer und der Straßenverkehr bei weitem nicht so effizient wie der Schienenverkehr. Allgemein wird in japanischen Großstädten großen Wert auf einen gut ausgebauten ÖPNV gelegt. Mit Erfolg: Nur circa zwölf Prozent des Verkehrs entfällt auf Autos.

Orientierungshilfen auch für Besucher*innen

Wenn du nicht gerade in einer Millionenmetropole aufgewachsen bist, wird es vermutlich einen Moment dauern, bis du dich im Nahverkehrssystem Tokios zurechtgefunden hast. Besonders bei der Metro haben die Japaner*innen aber ein leicht verständliches System, das bei der Orientierung hilft: Jeder U-Bahn-Linie ist eine eigene Farbe sowie ein Buchstabe zugeordnet.  Die Stationen der Strecken sind zudem durchnummeriert, sodass man sich nicht unbedingt die Stationsnamen und Richtungen merken muss, sondern Farbe und Nummer. So, wie wir es in den meisten U-Bahn-Systemen kennen, müsste man sich merken, dass man von Kagurazaka nach Kayabacho möchte und dafür die Bahn in Richtung Nishifunabashi nehmen muss. Im japanischen System reicht es hingegen aus, zu wissen: Du musst bei T05 ein- und bei T11 wieder aussteigen. Bei den Ein- und Ausgängen ist zudem vermerkt, auf welchem Gleis du die Zahlen (Stationen) aufwärts oder abwärts fährst – praktisch!

Shinkansen bringen dich von Stadt zu Stadt

Nicht nur die U-Bahnen sind schnell unterwegs – die berühmten japanischen Schnellzüge, die Shinkansen, bringen dich in Nullkommanichts durch Japan. Der entscheidende Punkt, warum das unkompliziert und auf die Minute pünktlich funktioniert: Die Züge der Shinkansen fahren auf einem eigenen Schienennetz. Die erste fertiggestellte Hochgeschwindigkeitsstrecke war 1964 die Verbindung zwischen Tokio und Osaka, heute führen neun Strecken quer durch das Land und sind bei Geschäftsleuten oder Tourist*innen gleichermaßen beliebt. Drei verschiedene Zugarten sind auf den Schienen unterwegs, die je nach Anzahl der Zwischenstopps schneller oder langsamer ans Ziel kommen:  Auf der „Tokaido-Shinkansen-Linie“ (Tokio nach Osaka) hält der Schnellzug („Nozomi“) beispielsweise nur sechs Mal, der mittelschnelle Zug („Hikari“) sieben Mal und der Nahverkehrszug („Kodama“) hat zwölf Haltepunkte. So schafft der Nozomi mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 320 km/h die Strecke von Tokio nach Osaka (450 km Entfernung) in nur 2:10 Stunden. Im Vergleich: Mit sechs Haltestellen mehr schafft es der Kodama „nur“ auf 285 km/h und braucht für die gleiche Strecke knapp 4 Stunden. Ein weiterer Punkt für hohen Komfort und gute Organisation: Es gibt in Shinkansen-Zügen Wagen für reservierte Plätze und Wagen, in denen ausschließlich nicht-reservierte Plätze sind. Durch zusätzliche Markierungen auf dem Bahnsteig, wo genau welcher Wagen hält, sparst du dir so unnötige Suchen quer durch den Zug.

 

Wenig Autos – viel ÖPNV

Wer in Tokio ein Auto anmelden will, muss strenge Auflagen beachten, u. a. den Nachweis eines festen Parkplatzes im eigenen Wohnbezirk erbringen. Die Regel, die auch aus der heutigen Stadt zur Eindämmung des Stadtverkehrs stammen könnte, existiert bereits seit 1962. Eine weitere Maßnahme, um Unfälle zu verhindern und den privaten Pkw-Besitz weiter einzudämmen sind Reaktionstests, die Menschen über 70 Jahre regelmäßig absolvieren müssen. Auch die freiwillige Abgabe der Führerscheine ist in Japan so hoch wie sonst vermutlich nirgendwo: 2019 gaben mehr als 600.000 Menschen ihren Führerschein freiwillig ab.

Ein Stück Japan für NRW?

An die japanische Disziplinkultur kommen wir in Deutschland oder NRW nicht ran, das muss man festhalten. Klischees über sehr strenge Regeln beim Ein- und Aussteigen, z. B. durch geduldiges Warten beim Schlangestehen, und dem ausgeprägten Bedürfnis, Züge sauber zu hinterlassen, sind schlicht und einfach wahr. Das Verhalten spart besonders im Bahnverkehr Stress und unterstützt einen reibungslosen Betriebsablauf. Auch beim Thema Pünktlichkeit hat der deutsche Schienenpersonenverkehr keine Chance gegen das japanische Netz. Das liegt vor allem daran, dass beispielsweise das Shinkansen-Netz unabhängig vom übrigen Schienenverkehr ist und ähnlich wie in Singapur auf eigenen Gleisen fährt. Auch die Geografie spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle: Die Form Japans ist sehr länglich und die Schienen konnten deshalb in den meisten Fällen senkrecht zwischen Süden und Norden gelegt werden. Bei uns gehen die Strecken in alle Himmelsrichtungen, was Überschneidungen und Kreuzungen zur Folge hat, die ebenfalls konzipiert werden müssen. Ein Vergleich hakt also allein bei den Voraussetzungen.

Und wie ist das mit den Autos? 

Japan ist eine ähnlich große Autonation wie Deutschland – zumindest, was die Produktion angeht. Die bereits erwähnten Vorgaben zur Neuanmeldung von Pkw oder Tauglichkeitsprüfungen im Alter sind in Japan etabliert. Das führt dazu, dass auf 100 Bewohner*innen Tokios gerade einmal 22 Autos kommen. Zum Vergleich: In Köln kamen im Jahr 2022 auf 100 Einwohner*innen circa 44 Pkw – doppelt so viele! Auch die Schadstoffemissionen hatte der Großraum Tokio schon wesentlich früher im Blick: 2003 wurde beschlossen, neue umweltfreundlichere Filter in alle Fahrzeuge einzubauen, die von der Regierung subventioniert wurden. In der Folge reduzierte sich die Feinstaubkonzentration um die Hälfte. Also: Die Anzahl der Pkw wird reduziert und die Autos, die noch auf den Straßen sind, werden so umweltfreundlich wie möglich gehalten – und so klein wie möglich, denn der Trend geht zu den berühmten Kei-Cars: platzsparend, günstig und emissionsfreundlich, da sie nur kleine Motoren haben. Als ersten Schritt für den NRW-Straßenverkehr erstmal auf kleine und dann auf weniger Autos zu gehen, wäre sicher kein ganz abwegiger Gedanke.