Mit urbanen Seilbahnen über Straße und Schiene schweben

Um ÖPNV-Systeme zu erweitern und die Straßen zu entlasten, bedarf es kreativer Ideen – warum also nicht versuchen, Seilbahnen in den ÖPNV zu bringen?

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Auf den ersten Blick klingt es nach einer charmanten Idee: Warum die Verkehrswege, die über Straßen und Schienen führen und diese immer wieder aufs Neue verstopfen, nicht einfach umlagern? Und zwar in die Luft. Dabei müssen keine futuristischen Flugtaxis entwickelt, sondern urbane Seilbahnen etabliert werden, die man bisher hauptsächlich aus Ski- oder Wanderurlauben kennt. Aber können die bislang ausschließlich touristisch genutzten Gondeln wirklich dazu beitragen, ÖPNV-Lücken zu schließen?

Ein Blick in die Welt

Beim Blick in die direkte Nachbarschaft fällt auf: Es tut sich etwas beim Thema Seilbahnen. In Amsterdam soll ab 2025 eine 1,5 Kilometer lange Seilbahn den Westen und Norden der Stadt verbinden. Einen ähnlichen Zeitplan weist Paris auf, wo die erste urbane Seilbahn die Vororte Crétil und Villeneuve-Saint-Georges an die Metro anbinden soll. So sollen 11.000 Menschen täglich ein neues ÖPNV-Verkehrsmittel nutzen können. Das größte Seilbahnnetz der Welt gibt es allerdings in weiter Ferne: in La Paz, Bolivien. „Mi Teleférico“ (übersetzt: meine Seilbahn) zählt zehn Linien und weist eine stolze Gesamtlänge von über 30 Kilometern auf. Über diese Strecke befördert sie täglich mehr als 300.000 Fahrgäste – als Verkehrsmittel im ÖPNV. Seit Sommer 2021 hat auch Mexiko City ein Seilbahnsystem, das für weniger Verkehrschaos sorgen soll. Inzwischen verbinden vier Seilbahnlinien (Cablebús Línea 1-4) wichtige Wohn- und Arbeiterviertel miteinander. Die vierte Seilbahn („Línea verde“) wurde im März 2023 eingeweiht. Lateinamerika kann durchaus als Vorreiter im Bereich Seilbahn-Logistik gesehen werden, denn auch in Medellín (Kolumbien) und Río de Janeiro (Brasilien) sind die luftigen Fortbewegungsmittel nicht mehr wegzudenken.

Viele Befürworter*innen und noch mehr Projektideen

Und in Deutschland? Die Politik – allen voran Bundesverkehrsminister Volker Wissing – ist begeistert. Mit verhältnismäßig wenig Aufwand könne man Seilbahnen auf- und zur Not wieder abbauen und nutzt dabei ein in vielen Urlauben erprobtes Verkehrsmittel. Auch Verkehrswissenschaftler*innen befürworten die Idee und schreiben Seilbahnen ein großes Potenzial zu, beispielsweise indem durch eine hohe und stetige Bewegung keine Fahrpläne für Seilbahnen nötig sein würden.

Vorteile

  • Auf- und Abbau sind verhältnismäßig preiswert und schnell
  • Entlastung der Straßen und Schienen
  • Kollision mit anderen Verkehrsmitteln ausgeschlossen
  • Seilbahnen zählen zu den sichersten Verkehrsmitteln
  • Barrierefreiheit ist garantiert
  • Wenig Bodenfläche wird beansprucht und versiegelt (lediglich durch die Stützen und Stationen)
  • Nachhaltiges Verkehrsmittel dank geringem Energiebedarf
  • Alltagstauglich für Pendler*innen
  • Zusätzlich touristisch attraktiv (Panoramablick)

Nachteile

  • 5.000 Menschen pro Stunde sind das Maximum
  • U-Bahnen können stündlich noch deutlich mehr Menschen befördern
  • bei starkem Unwetter (Wind, Gewitter) ist die Beförderung ggf. nicht möglich
  • Einschränkung der Privatsphäre der Anwohner*innen

NRW könnte in Zukunft schweben

Auf den ersten Blick überwiegen die Vorteile: Eine Seilbahn ist ein kostengünstiges und platzsparendes Verkehrsmittel, das nicht im Stau stehen kann und durch die Luft viele Hindernisse mit Leichtigkeit überwindet. Gerade in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte ist diese Idee auch in NRW immer wieder Thema: In Wanne-Eickel (Herne) soll in einigen Jahren ein Technologiepark nahe des Wanne-Eickler Hauptbahnhofs entstehen. Die Stadt will die Verbindung dorthin mit einer urbanen Seilbahn, die im ÖPNV-Tarif verkehrt, garantieren. Oder Bonn: Dort könnte eine Seilbahn in Zukunft über den Rhein führen und die Uniklinik mit den Wohnvierteln auf der anderen Seite verbinden. Besonders Anlieger*innen sind aber nach wie vor skeptisch: Sie fürchten um ihre Privatsphäre, da Fahrgäste aus den Kabinen beispielsweise in Gärten schauen könnten.

Info

Cable Car World

Anfang Juni 2024 findet die Fachmesse für urbane Seilbahnen statt, auf der Volker Wissing als „Schirmherr“ fungiert. „Beispiele in dicht besiedelten Regionen der Welt zeigen, dass Seilbahnen ein zuverlässiges, nachhaltiges und geräuscharmes Transportmittel sind“, so der Bundesverkehrsminister. Ein entsprechender Handlungsleitfaden der Bundesregierung existiert bereits seit 2022 und auch eine Fördersumme des BMDV steht für Projektumsetzungen bereit.