Barrierefrei mobil: Wie sieht Inklusion im ÖPNV aus?

Ein ÖPNV für alle muss auch für jede*n erreichbar und nutzbar sein. Trotz Hürden arbeiten die Städte und Verkehrsverbünde in NRW fleißig am Wandel.

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Barrierefreier ÖPNV heißt, stufenlos einsteigen zu können? Ja, aber natürlich nicht nur das, denn Barrierefreiheit ist noch viel mehr! In NRW hat etwa jeder zehnte Mensch eine Behinderung. Umso wichtiger ist es, dass Bahnhöfe, Haltestellen und die Fahrzeuge im ÖPNV für alle Bürger*innen gut nutzbar sind. Auch Fahrgäste mit Rad, Kinderwagen oder großem Gepäck sind auf barrierefreies Reisen angewiesen.

Was heißt eigentlich „barrierefrei”?

„Barrierefreiheit ist die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen. Der Zugang und die Nutzung müssen für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein.“

(BGG-NRW, Stand Nov. 2014, § 4 Barrierefreiheit)

Große Ziele

Im Personenbeförderungsgesetz wurde die vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV bis zum Jahr 2022 als bundesweites Ziel gesetzt. Dass dieses Ziel, die Infrastruktur im ÖPNV-Umfeld umfassend zu modernisieren, zu optimistisch war, ist allerdings auch Jahre später noch deutlich: Etwa zwei von drei Haltestellen sind zum Beispiel nicht gänzlich barrierefrei. Nach eigenen Schätzungen lag beispielsweise die Barrierefreiheit der Bus- und Bahnhaltestellen im VRR im Jahr 2023 bei etwa 36 Prozent und im VRS bei rund 40 Prozent. Als immer wieder auftauchende Probleme wurden unter anderem Geldmangel und fehlendes Personal genannt. Auf dem Land ist der Ausbau dabei grundsätzlich langsamer als in den Städten.

Das Land NRW hat deshalb bereits im Jahr 2019 u. a. mit drei SPNV-Zweckverbänden eine „Grundsatzvereinbarung zur Herstellung der Barrierefreiheit an allen SPNV-Stationen in NRW“ beschlossen. Das damals definierte Ziel: Bis 2030 soll 90 Prozent aller Fahrgäste ein barrierefreier Ein- und Ausstieg ermöglicht werden. Das bedeutet eine Menge Arbeit an vielen Orten, aber entsprechende Maßnahmen kommen stetig hinzu, damit folgende Bereiche deutlich verbessert werden können:

Wahrnehmbarkeit

Informationen und Bedienelemente müssen eindeutig präsentiert bzw. gekennzeichnet werden. Dazu zählen zum Beispiel Wegeelemente, wie Blindenstreifen. Informationen, beispielsweise zu Verspätungen, müssen über verschiedene Sinne zugänglich gemacht werden, also sowohl visuell, taktil als auch akustisch.

Bedienbarkeit

Es muss Hilfen zur Orientierung sowohl an Haltestellen als auch in den Fahrzeugen geben. Auch hier gilt es, visuell und akustisch zu informieren. Digitale Anzeigetafeln unterstützen schwerhörige und taube Menschen, während Sprachassistenten an der Haltestelle dafür sorgen, dass blinde Fahrgäste per Knopfdruck die Abfahrtszeiten abfragen können.

Verständlichkeit und Kommunikation

Fahrgastinformationen müssen verständlich und in leichter Sprache verfasst sein. Zusätzlich sollten leicht verständliche Symbole genutzt und Wege vorhersehbar gestaltet werden.

Räumlichkeit

Haltestellen und Fahrzeuge müssen ohne Hindernisse erreichbar sein und ausreichend Platz bieten. Dafür müssen beispielsweise die Höhe und Breite der Bahnsteige angepasst werden sowie Rampen, Aufzüge, Blindenstreifen, Busborde (abgerundete Bordsteine, die unter dem Namen “Kasseler Busbord” in den 90ern bekannt wurden), Beleuchtung und Ober-/Unterführungen hinzugefügt werden – und vor allem instandgehalten und gepflegt werden.

Die Verkehrsverbünde investieren viel und werden dabei vom Land NRW unterstützt. Im Jahr 2020 wurden etwa 3,4 Millionen Euro in den Ausbau von barrierefreien Bushaltestellen in verschiedenen Städten, wie Erwitte, Solingen oder Schwerte, investiert. Der VRR fördert Kommunen zusätzlich finanziell, wenn diese ihre Bushaltestellen barrierefrei aus- oder umbauen, und setzt sich für Kooperationen mit Ingenieursbüros ein, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. 

Weitere Fördergelder durch mehrere Modernisierungsoffensiven fließen in den Ausbau von Bahnhöfen. Unter anderem sollen bis 2027 rund 52 weitere Bahnhöfe ausgebaut werden.

In vielen Städten geht der Ausbau voran

Die Ausbauquote in NRW ist sehr unterschiedlich – Städte wie Langenberg, Billerbeck und Bedburg-Hau machen es aber vor. Dort sind bereits alle Haltestellen barrierefrei. Ein Blick auf weitere positive Beispiele:

Oberhausen

93 Prozent Barrierefreiheit – eine ziemlich gute Quote. Alle S-Bahnhaltestellen sind bereits barrierefrei, auch die meisten Fahrzeuge. Bei den Bushaltestellen fehlen nur noch vereinzelte. Die Stadt arbeitet eng mit Behindertenverbänden zusammen.

Krefeld

Auch Krefeld gehört zu den Spitzenreitern mit einer Barrierefreiheit von 66 Prozent – dank Rampen, akustischen Signalen und sprechenden Haltestellen.

Bonn

In Bonn wurde viel Geld in Modernisierungen gesteckt – mit Erfolg. Bereits 90 Prozent der Bahnhaltestellen sind inzwischen barrierefrei.

Zudem wurde an vielen Bahnhöfen, auch dank der Fördergelder, die Barrierefreiheit durch Modernisierungsarbeiten, wie der Anhebung der Bahnsteige, vorangetrieben. Diverse Shuttleangebote tragen ebenfalls dazu bei, dass mobilitätseingeschränkte Personen flexibel in der Stadt unterwegs sein können. Beispiele sind Limo in Lippe oder die WSW Cabs in Wuppertal.

Und auf dem Land?

Doch auch im ländlichen Raum wird einiges dafür getan, den Menschen, egal mit welchen Mobilitätseinschränkungen sie zu kämpfen haben, den Zugang zum ÖPNV zu garantieren. Besonders im Bereich On-Demand hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Die Mitnahme von Rollatoren oder nicht-motorisierten Rollstühlen ist zum Beispiel bei LOOP Münster (Münster und Umland) oder Rhesi (Neunkirchen-Seelscheid), die ihre Fahrzeuge barrierearm gestalten konnten, möglich. Das Shuttle Gütersloh bietet zur besseren Beförderung von Rollstühlen oder weiteren Gehhilfen sogar eine Auswahl in ihrem Fahrzeugangebot: Obwohl auch die „normalen” London-Taxis als barrierefrei bezeichnet werden, sind zusätzlich Sprinter-Busse im Einsatz. So können im Vorfeld angekündigte Fahrten, auf denen mehr Platz benötigt wird, komfortabler gestaltet werden. Aber auch im ländlichen Raum geht es natürlich nicht allein um die Fahrzeuge – schon die Haltestellen und Aufenthaltsorte für die Fahrgäste müssen für jeden gleichermaßen zugänglich sein. Allein im VRR sind ca. 1.500 Haltestellen für den barrierefreien Ausbau vorgemerkt oder bereits bewilligt – umfassender Fördermaßnahmen sei Dank.

Gewusst wie

Die BOGESTRA (in Bochum und Gelsenkirchen) bietet mobilitätseingeschränkten Kund*innen ein spezielles Training, um Haltestellen und Fahrzeuge sowie einen sicheren Ein- und Ausstieg genauer zu erklären. Das soll für ein gutes Gefühl beim Fahren sorgen. Die Schulung ist kostenlos. Ähnliche Angebote gibt es übrigens auch im Kreis Unna oder beim Rollatortag in verschiedenen Städten in NRW.

Barrierefreiheit muss auch digital greifen

Die Digitalisierung trägt einen großen Teil dazu bei, den ÖPNV durch Anwendungen und Technologien barrierefreier zu gestalten. Mit anpassbaren Schriftgrößen, Zoom-Funktionen oder einer kontrastreichen Darstellung wird der Zugang vereinfacht. Mithilfe einer Sprachsteuerung können Texte ein- oder ausgegeben werden.

Die fahrtwind-App im Kreis Unna beispielsweise sagt kurz vor dem Ausstieg an, den Halteknopf zu bedienen.

Einen ÖPNV für alle zu schaffen, ist ein ambitioniertes Ziel mit vielen Hürden. Diese wurden und werden intensiv angegangen, dennoch liegt noch viel Arbeit vor Land und Bund. Um die Barrieren in Zukunft komplett abzubauen, arbeiten Land und Verkehrsverbünde deshalb eng zusammen, um alle Menschen in NRW mobil zu machen. Um etwas Geduld kommen die Fahrgäste aber wohl nicht herum. 

Info

Auch unsere eigene Website haben wir so barrierearm wie möglich gestaltet. Sollten dir aber dennoch Mängel auffallen, teile uns diese gerne über unser Meldeformular mit.